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Ein wirtschaftspolitischer Hüftschuss!

 Diese Woche hat sich Pierre-Gabriel Bieri im Presse- und Informationsdienst des Centre Patronal in einer Art über die Vaterschaftsurlaub-Initiative ausgelassen, die nicht unkommentiert bleiben kann.

Dass er die Initiative als Ausfluss eines «gewerkschaftlichen Grundreflexes, mehr Urlaub zu fordern» sieht, könnte man einfach als unreflektierte Beleidigung abtun. Allerdings werden da nicht nur «etatistisch-egalitäre» Gewerkschaften beleidigt, sondern auch über 140 000 Unterzeichnende – und vor allem all die Mütter und Väter, die tagtäglich im Job ihre Leistung abliefern und daneben versuchen, für ihre Kinder da zu sein.

So falsch wie peinlich

 Ein Vaterschaftsurlaub würde im allerteuersten Fall 420 Millionen Franken pro Jahr kosten – und die Arbeitnehmenden würden die Hälfte davon noch selbst bezahlen. Für die Arbeitgeber würden noch 0,05 Lohnprozente bleiben. Dies als «nicht tragbar» für die Wirtschaft zu bezeichnen, ist so falsch wie peinlich. Dass der Autor dann aber noch das Mantra der hohen Arbeitskosten in der Schweiz erwähnt, ist vollends unüberlegt:

Könnte es sein, dass ein Vaterschaftsurlaub hilft, die Motivation junger Väter und damit die Produktivität der Firmen zu steigern? Dass Unternehmen mit familienfreundlichen Angeboten für gut ausgebildete Angestellte attraktiver werden? Dass wir damit Frauen in den Arbeitsmarkt zurückholen und so dem Fachkräftemangel entgegenwirken könnten?
Anders gefragt: Könnte es sein, dass der Vaterschaftsurlaub die Wirtschaft nicht nur etwas kostet, sondern ihr auch etwas bringt – am Ende sogar mehr, als sie dafür bezahlt?

Wirtschaftshölle Schweiz ... 

Diese Gedanken macht sich der Autor nicht. Muss er auch nicht. Denn er hat ja bereits kapituliert – und stellt fest, dass in der Wirtschaftshölle Schweiz, wo Fortschritt – oh Schreck! – gesetzlich verordnet sein soll, der Vaterschaftsurlaub sowieso kommt.

Was Bieri dann als «Ausgleich» in den offenbar unvermeidlichen Verhandlungspoker einbringt, ist ungeniessbar und unterstützt all die wirtschaftspolitischen Hüftschüsse der letzten Zeit. Schaffen wir doch jede Überzeitgrenze ab – und die Zeiterfassung gleich dazu, um zu vertuschen, dass all die Burn-outs vielleicht etwas mit Überarbeitung zu tun haben …

Flexibilität? Ok, aber dann bitte beidseitig! 

Es stimmt, dass «Flexibilität ein Merkmal moderner Arbeitsbeziehungen» ist. Vielleicht ist dem Autor aber entgangen, dass Arbeitnehmende bereits flexibel sind. Müssen sie auch, wenn sie auf Arbeit nicht verzichten können und auf Familie nicht verzichten wollen.
Es braucht eine Flexibilität von beiden Seiten – mit Arbeitsmodellen, die nicht einfach Präsenz und dauernde Erreichbarkeit verlangen, sondern echte Flexibilität, damit Beruf und Familie nebeneinander Platz haben.

Der Autor mahnt ein «Klima der gegenseitigen Zugeständnisse statt der Konfrontation» an. Das ist gut und recht. Hätte die Arbeitgeberseite wirkliche Zugeständnisse zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie gemacht, dann müssten wir jetzt gar nicht über die Länge eines Vaterschaftsurlaubs feilschen …



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Arno Kerst, Präsident

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