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«Die Sozialpartnerschaft hat einen hohen Stellenwert»

Johann Tscherrig ist ein alter Hase in der Gewerkschaft: Als langjähriger Regionalverantwortlicher für Syna Oberwallis hat er sich Anfang 2019 für eine Stelle als Zentralsekretär ins neblige Olten gewagt. Hier ein kleiner Ausschnitt aus seinem reichen Erfahrungsschatz.

Was ist deine Hauptaufgabe hier in Olten als Zentralsekretär? 

Johann Tscherrig: Im Gegensatz zu meiner vorherigen Arbeit als Regionalsekretär habe ich es hier mit nationalen Gesamtarbeitsverträgen (GAV) zu tun. Ich bin also verantwortlich dafür, die Arbeitsbedingungen von ganz vielen Berufsleuten in der ganzen Schweiz zu verbessern!
Ein wesentlicher Unterschied ist dabei aber, dass ich nicht mehr direkt mit den Mitgliedern zu tun habe, sondern jetzt mit den Verbänden diskutiere. Zudem bin ich in vielen paritätischen Kommissionen zuständig für den Vollzug der GAV.

Vollzug klingt irgendwie nach Knast? 

Nein, das hat damit gar nichts zu tun! Wir kontrollieren in den Kommissionen bei den Arbeitgebern, ob sie die GAV auch einhalten. Das heisst, wir kontrollieren, ob die Löhne stimmen, die Arbeitszeiten erfasst werden, Höchstarbeitszeiten eingehalten werden usw. Diese Vollzugskontrollen sind vor allem typisch für das Gewerbe, in anderen Branchen gibt es sie nicht unbedingt.

Hat es Konsequenzen, wenn sich ein Arbeitgeber nicht an die Regeln hält?

Oh ja. Beiträge, die nicht oder zuwenig bezahlt wurden, müssen nachgezahlt werden. Und Arbeitgeber, die sich wiederholt Verfehlungen leisten, müssen auch die Kontrollkosten selber berappen und eventuell eine Konventionalstrafe bezahlen.

Fehlt dir der direkte Mitgliederkontakt?

Ach, nach so vielen Jahren war es an der Zeit, andere Aufgaben zu übernehmen! Und in meiner jetzigen Funktion habe ich dafür mehr Kontakt mit den anderen Syna-Regionen. Ich berate sie, wenn es um «meine» Branchen geht. Dabei kann ich meine langjährige Erfahrung sehr gut einbringen.

Welche Meilensteine hast du gesetzt in deiner langen Gewerkschaftskarriere? 

Sehr spannend war die Anfangszeit: Ich habe die Fusion von verschiedenen Gewerkschaften zu Syna hautnah miterlebt. Als Sekretär und später Verantwortlicher von Syna Oberwallis habe ich dabei mitgeholfen, das Oberwallis zur grössten Syna-Region zu machen. Darauf bin ich stolz. Schön sind für mich auch die vielen persönlichen Kontakte, die im Lauf der Jahre entstanden sind, das grosse Netzwerk, das ich mir aufgebaut habe.
Und ein jüngster Meilenstein, der mich freut, ist der GAV im Gerüstbau, der nach vielen Jahren der Verhandlungen jetzt endlich zustandegekommen ist.

In all den Jahren hast du sicher auch viel Spezielles erlebt? 

Sicher, da gibt es einiges … Was mich immer wieder erstaunt, ist zum Beispiel, wenn Arbeitgeber, die einem GAV unterstellt sind, meinen, für sie würden andere Regeln gelten …
Ganz allgemein gesehen, fällt mir auf, dass in der Westschweiz sozialpolitisch eine andere, fortschrittlichere Mentalität herrscht als hier in der Deutschschweiz  … Ich versuche deshalb, die Westschweizer Mentalität in die Deutschschweiz zu bringen… (lacht). Es wird in Zukunft aber allgemein je länger je schwieriger werden, unsere sozialen Errungenschaften zu erhalten.

Die Herausforderungen sind grösser geworden in den letzten Jahren? 

Ja, es wird auch immer schwieriger, in den Arbeitsbedingungen Verbesserungen zu erzielen. Die grösste Herausforderung der Zeit für die Gewerkschaften ist allerdings, ältere Arbeitnehmende wieder fit zu machen für die Digitalisierung, für den Arbeitsmarkt der Zukunft.
Trotz aller Schwierigkeiten finden wir aber immer wieder den Draht mit den Arbeitgebern, um in den GAV Verbesserungen herauszuholen. Die Sozialpartnerschaft hat in der Schweiz schon einen hohen Stellenwert! Und beide Seiten – Arbeitnehmende wie Arbeitgeber – wollen klare, verbindliche Regeln. Diese gelebte Sozialpartnerschaft ist für mich sehr befriedigend.

«Das ist doch das Schöne an der Gewerkschaftsarbeit: Hier kannst du wirklich noch etwas bewegen!»

Johann Tscherrig
Das motiviert dich also weiterhin für deine Arbeit? 

Genau. Es macht mich zufrieden, wenn ich für die Arbeitnehmenden etwas bewirken kann. Das ist doch das Schöne an der Gewerkschaftsarbeit: Hier kannst du wirklich noch etwas bewegen!


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