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Arbeitgebende hinken dem Zeitgeist hinterher

Ein Jahr nach Annahme des Vaterschaftsurlaubs in der Schweiz müssen wir eine negative Bilanz ziehen: Viele Arbeitgebende geizen beim Vaterschaftsurlaub. Damit ignorieren sie nicht nur die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden, sondern schaden langfristig auch ihrer eigenen Branche. 

Die Einführung eines gesetzlichen Vaterschaftsurlaubs war ein Meilenstein in der schweizerischen Sozialpolitik. Ein Erfolg, der nicht zuletzt unserer Vaterschaftsurlaub-Initiative zu verdanken ist. Leider tun sich nach wie vor viele Arbeitgebende schwer, ihren Mitarbeitern die so wichtige Familienzeit zu gewähren.

Dabei zeigt eine Studie von Travail.Suisse deutlich: Die heutigen Väter wollen Verantwortung übernehmen und die Betreuungsarbeit fair auf beide Elternteile aufteilen. Mit der aktuellen Regelung von zwei Wochen bezahltem Vaterschaftsurlaub sind die meisten Arbeitnehmenden unzufrieden. Eine grosse Mehrheit wünscht sich vier Wochen oder mehr. 

Es hapert in der Umsetzung 

Vor diesem Hintergrund erstaunt es sehr, dass viele Arbeitgebende dem eindeutigen Rechtsgutachten von Prof. Dr. Thomas Geiser nach wie vor zuwiderhandeln: Dieses belegt, dass der Vaterschaftsurlaub in einem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) grundsätzlich zum gesetzlichen Vaterschaftsurlaub dazugezählt werden muss. Gewisse Arbeitgebende scheinen partout nicht wahrhaben zu wollen, dass der Wunsch nach besserer Vereinbarkeit von Beruf und Familie keine kurzzeitige Modeerscheinung ist, sondern einem grossen Bedürfnis der Arbeitnehmenden entspricht. 

Schnitt ins eigene Fleisch 

Auf die Spitze treiben es die Arbeitgebenden im Bauhauptgewerbe: Im Landesmantelvertrag (LMV) haben sie einseitig beschlossen, den bisherigen Vaterschaftsurlaub von einem Tag zu 100% Lohn durch 10 Tage zu 80% Lohn zu ersetzen. «Damit schneiden sich die Baumeister ins eigene Fleisch», erklärt Guido Schluep, Zentralsekretär Bauhauptgewerbe. Er verweist auf den akuten Fachkräftemangel und die Nachwuchsprobleme, mit denen das Baugewerbe zu kämpfen hat. «Die männerlastige Branche will attraktiver werden, verpasst aber gleichzeitig eine Steilvorlage, indem sie über einen zusätzlichen freien Tag bei der Geburt streitet. Das ist eine rückständige Einstellung, welche die Branche nicht attraktiver macht!» 

Wegweisende Modelle wichtig 

Denn eine gute Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben ist heute entscheidend für die Attraktivität eines Berufsbildes. Verschiedene Branchen haben dies erkannt und tragen mit flexiblen Arbeitsmodellen den Bedürfnissen von Familien stärker Rechnung. So zeigt das Projekt «Teilzeitbau» im Maler- und Gipsergewerbe, warum die Förderung von Teilzeitarbeit weibliche wie männliche Arbeitskräfte langfristig in der Branche hält. In der Holzbaubranche wiederum diskutieren die Sozialpartner zurzeit über ein Teilzeitmodell sowie über einen Ausbau des Vaterschaftsurlaubs. 

Syna bleibt am Ball 

Es gibt Firmen, die fortschrittlich denken und mit flexiblen Arbeitsmodellen und grosszügigen Lösungen beim Vaterschaftsurlaub die Gleichstellung von Mann und Frau im Erwerbsleben fördern. Dennoch sind wir noch lange nicht am Ziel. Syna wird sich in den Verhandlungen mit ihren Sozialpartnern weiterhin mit aller Kraft für die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie einsetzen. Nur so kommen wir in der Schweiz zu dem sozialen Fortschritt, den wir in diesem Land so dringend brauchen. 

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