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Coronakrise belastet Arbeitsbedingungen und Einkommen

Die Corona-Spezialbefragung des «Barometer Gute Arbeit»zeigt: Für viele haben Arbeitsbelastung und Betreuungspflichten während des Lockdown zugenommen – ohne oder nur teilweise mit Entgegenkommen ihrer Arbeitgeber. Ausserdem zeigt sich, dass die Präventionsmassnahmen von den meisten solidarisch mitgetragen werden. Allerdings begab sich im Lockdown ein beträchtlicher Teil der Covid-19-Erkrankten nicht in Quarantäne oder Selbstisolation.

Der Lockdown hat die Situation für die Arbeitnehmenden auf sehr unterschiedliche Art und Weise verändert – das zeigen die Ergebnisse der Corona-Spezialbefragung im Rahmen des «Barometer Gute Arbeit». Der «Barometer Gute Arbeit» ist ein Kooperationsprojekt von Travail.Suisse und der Berner Fachhochschule und bewertet seit 2015 repräsentative Ergebnisse zur Qualität der Arbeitsbedingungen in der Schweiz und deren Veränderungen.

Arbeitsbelastung und Betreuungspflichten haben sich individuell verändert
Die Arbeitsbelastung hat sich in den Branchen sehr unterschiedlich entwickelt: Im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesen, dem Detailhandel und der öffentlichen Verwaltung berichtet ein grosser Teil der Arbeitnehmenden über eine grössere Arbeitsbelastung. Die «Systemrelevanz» wird hier konkret: «Die Krise hat gezeigt, dass der Service Public existenziell wichtig ist. Umso mehr verdienen die Arbeitnehmenden auch in Nicht-Krisenzeiten die notwendige Anerkennung, anständige Arbeitsbedingungen und faire Löhne», sagt Gabriel Fischer, Leiter Wirtschaftspolitik bei Travail.Suisse. Für Familienhaushalte wiederum war das angeordnete Homeoffice in Kombination mit Kinderbetreuung und Homeschooling aufgrund der Schliessung von Schulen und Betreuungsmöglichkeiten die Quelle der eigentlichen Überlastung. Knapp die Hälfte der Arbeitnehmenden – Frauen deutlich ausgeprägter als Männer – war während des Lockdown mit mehr Betreuungspflichten konfrontiert. «In Haushalten mit jüngeren Kindern bis 12 Jahren sind die Vereinbarkeitsprobleme aufgrund des Homeoffice stark erhöht», sagt Studienautor Tobias Fritschi, Professor der Berner Fachhochschule.

Arbeitgeber: Nur teilweise Entgegenkommen
Trotz ausserordentlicher Lage und erhöhten Betreuungspflichten konnten sich die Arbeitnehmenden nur teilweise auf ihre Arbeitgeber verlassen. Nur rund jeder oder jedem Vierten ist der Arbeitgeber mit einer Entlastung entgegengekommen. Auch die staatlichen Massnahmen haben die Situation für Familienhaushalte kaum verbessert. Zwar wurde eine spezifische Corona-EO ins Leben gerufen, sie wurde allerdings so ausgestaltet, dass lediglich 4.3% der Betroffenen in den Genuss eines Erwerbsersatzes kamen. «Die grosse Mehrheit der Arbeitnehmenden mit Betreuungspflichten wurde in dieser Krise sich selber überlassen und hat mit Arbeitstätigkeit, Betreuungspflichten und Homeschooling jongliert», sagt Fischer. Besonders wenig Entgegenkommen gab es in den Dienstleistungs-Branchen, in der Informations- und Kommunikationsbranche, im Gastgewerbe, im Bildungs- und Gesundheitswesen und im Detailhandel. Etwas besser sieht es beim finanziellen Entgegenkommen aus. Während der Corona-Krise wurde das Instrument der Kurzarbeit in einem nie dagewesenen Ausmass eingesetzt, um vorschnelle Entlassungen zu verhindern und Arbeitsplätze zu sichern – ein sprunghaftes Ansteigen der Arbeitslosenzahlen konnte so bisher verhindert werden. Die Corona-Spezialbefragung des «Barometer Gute Arbeit» zeigt, dass rund die Hälfte der Arbeitgeber den Arbeitnehmenden in Kurzarbeit weiterhin den vollen Lohn ausbezahlt hat. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass beinahe die Hälfte der Arbeitnehmenden in Kurzarbeit mit einer Lohnkürzung konfrontiert war: Sie haben von ihren Arbeitgebern kein finanzielles Entgegenkommen erhalten und verfügten damit nur noch über 80 Prozent ihres bisherigen Lohnes.

Arbeitnehmende: Solidarität gross, aber nur ein Teil der Erkrankten in Quarantäne
Während der Corona-Krise haben sich die Arbeitnehmenden grundsätzlich sehr vorbildlich verhalten. Die Hygienevorschriften des Bundes wurden meist befolgt. Die Solidarität der Arbeitnehmenden wurde mit dem (meist noch freiwilligen) Tragen von Masken sowie der Bereitschaft für eine geprüfte Impfung gemessen. 62% der Arbeitnehmenden zeigen sich pflichtbewusst bis (sehr) solidarisch, etwa ein Viertel weniger solidarisch und nur jede/-r zehnte Arbeitnehmende scheint eher unsolidarisch zu sein. 30% ziehen eine geprüfte Impfung vielleicht in Betracht, 46% der Arbeitnehmenden würden diese machen lassen. Kritisch ist das Verhalten der Infizierten: «Mehr als 40% der an Covid-19-erkrankten Arbeitnehmenden haben sich nicht in Quarantäne oder Selbstisolation begeben. Das deutet darauf hin, dass eine gewisse Anzahl von Coronavirus-Trägern dennoch am Arbeitsplatz erscheinen», sagt Fritschi. Der in der Schweizer Arbeitswelt stark verankerte Präsentismus scheint sich auch in Corona-Zeiten fortzusetzen.

Homeoffice kann nur mit klaren Regeln funktionierenWährend des Lockdowns hat rund die Hälfte der Arbeitnehmenden im Homeoffice gearbeitet – davon je eine Hälfte teilweise und eine Hälfte vollständig. Der Wegfall des Arbeitsweges, der Schutz vor einer Corona-Infektion, mehr Selbstbestimmung bei der Arbeit und mehr Ruhe am Arbeitsplatz werden von den Arbeitnehmenden als positivste Auswirkungen des Homeoffice erlebt. Kritisch werden die fehlenden sozialen Kontakte, eine mangelhafte Ergonomie, die ständige Erreichbarkeit und Mehrarbeit sowie zunehmende Probleme bei der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben eingeschätzt. «Nur mit klaren Regeln kann Homeoffice für beide Seiten eine gewinnbringende Alternative zum Präsenzarbeitsplatz sein», sagt Gabriel Fischer. Freiwilligkeit und eine klare Begrenzung, keine Kombination mit anderen Tätigkeiten (insbesondere mit Kinderbetreuung), die Sicherstellung des Gesundheitsschutzes, eine Entschädigung an die Arbeitnehmenden und eine faire Aufteilung allfälliger Einsparungen oder Produktivitätsfortschritte sind die zentralen Fragstellungen.

Weitere Auskünfte
Gabriel Fischer
, Leiter Wirtschaftspolitik Travail.Suisse

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Barometer Gute Arbeit | TravailSuisse

Bericht zur Corona-Spezialbefragung und älteren Auflagen des «Barometer Gute Arbeit»

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